Benedict Wells: Becks letzter Sommer

„Becks letzter Sommer“ ist Wells‘ Debütroman. Er handelt ebenso von einem unterhaltsamen Roadtrip wie das Buch „Fast genial“ , über das ich schon geschrieben habe. Beide Romane sind gut, aber das drei Jahre später erschienene „Fast genial“ hat mir noch besser gefallen.

Worum geht’s? Um Sicherheit oder Leidenschaft

Robert Beck ist Ende Dreißig, Single, und Lehrer für Deutsch und Musik in München. Er ist nur Lehrer geworden, weil sein Vater das so wollte, und vielleicht, weil er damals aus der Band geflogen ist. Denn das, was er im Herzen immer machen wollte, war Musik. Da er aber in jungen Jahren von einem musikalischen Durchbruch weit entfernt war, hat er sich doch für den bequemen Beamtensessel entschieden. Vom Musikerdasein kann man ja schließlich nicht leben – oder?

Nun bringt er eben Gymnasiasten, die keine Lust darauf haben, die Tonleitern bei. Als er einen seiner Schüler eines Tages E-Gitarre spielen und singen hört, ist er sich sicher, ein Ausnahmetalent vor sich zu haben. Und Beck sieht plötzlich einen Ausweg aus seinem langweiligen Leben: Er bringt diesen Rauli groß raus und wird sein Manager.

Tatsächlich haben die beiden später Aussichten auf einen Plattenvertrag bei einem großen Label, nur müssen sie davor noch kurz nach Istanbul. Ein Gefallen, den Beck seinem einzigen Freund Charlie nicht abschlagen kann. Diese Fahrt wird abenteuerlich. An ihrem Ende wartet keinesfalls das auf sie, was Beck geplant hat.

Witzig bis übertrieben witzig

Man mag sich fragen: Was bitte hat Istanbul mit einem unzufriedenen Lehrer und einem Musiktalent zu tun? Glaubt mir, das ist stimmig erzählt. Es ist witzig, wie Beck durch sein Leben stolpert, wie er sich Hoffnungen macht und Pläne schmiedet, von denen jeder außer ihm weiß, dass sie unrealistisch sind. Es ist charmant, wie er Herz zeigt, ohne Gefühle zulassen zu können. All das macht Spaß zu lesen und es zeigt, das Wells meines Erachtens sehr viel drauf hat.

Aber es sind Passagen eingearbeitet, die aus dem Zusammenhang gerissen erscheinen. Zum Beispiel berichtet ab und zu in Kursiv gedruckt der „Autor“ des Buches über seine Beobachtungen über Beck oder es werden Interviews zwischen den beiden abgedruckt. Das hätte ich nicht gebraucht – ich bilde mir lieber eine eigene Meinung über die Charaktere (was in dem Roman super möglich ist). Die Passagen tragen meines Erachtens zur Geschichte nichts bei.

Zweiter Kritikpunkt ist der Schluss. Gegen Ende wird „Becks letzter Sommer“ manchmal arg abstrus. Ich hatte, den Eindruck, Wells wollte noch mal richtige Action platzieren oder hatte einfach Spaß daran zu übertreiben. Ist teils wirklich witzig, teils in meinen Augen aber tatsächlich übertrieben.

Definitiv hätte ich auch ohne es zu wissen darauf getippt, dass „Fast genial“ später erschienen ist. Es ist abgeklärter und sicherer geschrieben. Als ob Wells bei „Becks letzter Sommer“ noch mal geübt hätte, um mit „Fast genial“ ein Meisterstück hinzulegen. Lesenswert und unterhaltsam sind dennoch beide!

Dieses Buch ist was für dich, wenn du:

  • ohne Mundschutz nach München und Istanbul reisen willst.
  • dich fragst, ob du wirklich das tust, was dir Spaß macht.
  • Lust hast, mit Beck zusammen alle Vorsicht über Bord zu werfen und abzuhauen. Wann kann man das schon mal?

Ich habe folgendes Buch gelesen:
Wells, Benedict: Becks letzter Sommer. Erschienen im Diogenes Verlag, Zürich, 2009.

Herkunft:
Danke fürs Leihen, Sophie!

Bild: (c) Susanne – aufgenommen in Fürth, 2018

Susanne

Zurück nach oben