William Golding: Herr der Fliegen

Vor 65 Jahren geschrieben und immer noch aktuell – das trifft auf nicht allzu viele Bücher zu. Auf dieses schon. Es ist kein besonders großer Lesegenuss, aber thematisch hat es mich berührt. Kann man schon mal lesen!

Worum geht’s? Es ist eine Robinsonade

Robinsonade – ich habe eben ein neues Wort gelernt, als ich im Internet kurz nach „Herr der Fliegen“ gesucht habe. Bedeutet: Es ist eine einsame Insel involviert. Eine Gruppe von Jungen strandet nach einem Flugzeugabsturz eben dort. Sie sind zwischen sechs und zwölf Jahren alt und völlig auf sich allein gestellt. Die Gruppe muss ohne Erwachsene auf der Insel zurechtkommen, Hütten bauen, für Essen sorgen, ein Signalfeuer unterhalten.

Wie viele Kinder es sind, bleibt offen, ist aber auch unerheblich. Es sind genug, dass einige unterschiedliche Charaktere vertreten sind. Nachdem anfänglich vor allem Abenteuerlust herrscht, treten nach und nach die Persönlichkeiten der Jungen in den Vordergrund. So gibt es zurückhaltendere Kinder, ängstliche und sensible ebenso wie Rabauken, die sich um jeden Preis durchsetzen wollen.

Gruppendynamik: Von chaotisch zu gewaltsam

Interessant ist, dass das gemeinsame Spiel der Gestrandeten nach und nach grausamer wird, so als würden sie Gewalt erst testen wollen, bevor sie sie in die Tat umsetzen. Sie nehmen beispielsweise durch das Nachspielen einer Jagd das Töten von Tieren die Grausamkeit. Am Anfang schien es ihnen noch unmöglich, ein Schwein zu töten. Am Ende ist diese Hemmschwelle nicht nur weg, sondern die Kinder finden sogar Lust daran.

„Dann machte Maurice das Schwein und rannte quiekend in der Mitte, und die Jäger, weiterhin im Kreis stehend, taten, als schlügen sie ihn. Beim Herumhüpfen sangen sie: ‚Stecht das Schwein! Macht es tot! Kurz und klein!‘ Ralph beobachtete sie neidisch und grollend. Er als sie ermüdeten und der Singsang verstummte, sprach er: ‚Ich berufe eine Versammlung ein.'“

Golding, William: Herr der Fliegen (2007), S. 105

Und dann ist da noch die Frage nach dem Anführer: Ist es der, der demokratisch gewählt wurde, oder der, der sich durch Macht und Gewalt durchsetzt? Sind das am Anfang alles noch kleine Machtspielchen, wird es gegen Ende blutrünstig. Ich habe mich gefragt, ob William Golding vielleicht ein bisschen zu dick aufgetragen hat. Aber angesichts dessen, was so passiert in der Welt, hat er wohl doch Recht.

„Herr der Fliegen“ ist ein wunderbares Lehrstück über Gruppendynamik. Wer bin ich, wenn sich ein Team bildet? Und wozu bin ich fähig, wenn es hart auf hart kommt? Geschrieben ist das Buch meines Erachtens nicht besonders gut. Die Szenen sind nicht bis zum Ende ausgearbeitet. Aber das Thema ist so brisant und aktuell, dass ich auf jeden Fall empfehlen kann, sich damit zu beschäftigen.

Dieses Buch ist was für dich, wenn du:

  • überlegen möchtest, ob du zu alldem auch fähig wärst.
  • darüber nachdenken willst, welche Rolle du in Teams einnimmst.
  • dich fragst, wie Gewalt entsteht und wo sie herkommt.

Ich habe folgendes Buch gelesen:
Golding, William: Herr der Fliegen. Erschienen im Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 5. Auflage 2007. Das Original ist von 1954.

Herkunft:
Aus dem sozialen Buchladen von Frankenfair in Fürth. Sehr empfehlenswertes Geschäft!

Bild: (c) Susanne – aufgenommen auf Fraser Island, Australien, 2017

Susanne

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